Du darfst dir selbst Flügel und Wurzeln verleihen

Paulina Tsvetanova ist eine Weltreisende mit nicht endendem Fernweh, eine Entwurzelte, eine Suchende. Ihre Familie lebt in fünf Ländern verstreut. Sie selbst hat über 40 Länder bereist, ist 25 Mal umgezogen und sagt, dass ihre Stoffe der Spiegel ihrer Seele seien. Denn auf den Weltreisen kauft sie jeweils einen Meter internationaler Stoffe, die sie zu ihrer außergewöhnlichen, fantasievollen Kleidung verarbeitet. Sie macht Vintagemode mit Leftovers und Deadstocks von Couture Stoffen, also mit Laschen von Musterbüchern und Restposten. Klassisches Upcycling. Es gibt UnternehmerInnen, die systematisch Erfolgsstrategien anwenden. Und es gibt kreative KünstlerInnen, die sich der systematischen Reflexion auf einer Metaebene verweigern, weil sie dem Zufall den Vorrang geben. Paulina gehört zu letzteren. In diesem Blogbeitrag liest du, wie sich ein solch kreatives Leben gestaltet.

Wie kommt man auf so eine verrückte Geschäftsidee wie Paulina’s Friends?

Ich war in meinem Festanstellungsjob im Verlag extrem unglücklich. Ich wurde gemobbt, erpresst und beneidet. Ich war verzweifelt und suchte nach einem Ausweg. Wovon ich weg wollte, war klar. Doch wohin es gehen sollte, wusste ich noch nicht genau. Ich verliebte mich und das gab mir die nötige Kraft für einen Neuanfang. Mein Antrag auf Einbürgerung hing in der Luft, so dass ich mir eigentlich nicht leisten konnte, arbeitslos zu sein. Trotzdem kündigte ich und verreiste ein paar Wochen in die Karibik.

Zurück auf Anfang. Wie alles kam: An einem grauen, verregneten Nachmittag setzte ich mich mit einem weißen Blatt Papier hin und stellte mir drei einfache Fragen:

  1. Was liebe ich am meisten?
  2. Wofür bin ich da?
  3. Warum will ich leben?

So kam ich auf die Verbindung zwischen angewandter Kunst und meiner Passion für Mode. Zu dieser Zeit sammelte ich bereits Couture Vintage Unikate auf Pariser Flohmärkten. Warum sollte ich also nicht wagen, einen schrillen Bazar aufzumachen, einen Concept Store mitten in Berlin? Warum nicht aus der Misere des Arbeitslosenelends heraus gründen, wenn auch ohne finanzielles Polster und ohne staatliche oder familiäre Unterstützung? Wenn ich kein Geld habe, dann muss ich eben Geld verdienen, dachte ich mir. Gedacht, getan: Paulina’s Friends – heute eine Modemarke – habe ich zunächst als Kreativagentur für zeitgenössische Kunst, Design und Vintagemode aufgebaut.

Not macht erfinderisch: Und so kam ich auf die Idee, alle Co-Aussteller an meinen Ladenkosten zu beteiligen. Ich habe die Werke der Aussteller kuratiert und dafür zugleich die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gemacht. Die Presse rannte mir sofort die Bude ein. Aber Presse bezahlt leider nicht die Miete. Nach den ersten Erfahrungen mit zwei Pop-Up-Stores in der Designermall im Bikini Haus in Berlin wagte ich, einen Laden mit Whitecube-Galerie-Charakter in Berlin-Mitte aufzumachen. Drei Jahre konnte ich den Laden halten. Danach eröffnete ich einen vierten Pop-Up-Store im Bikini Haus. Dann kam Corona. Eine Riesenkatastrophe! Seit 2021 habe ich keinen Laden mehr.

Was habe ich nicht alles erlebt: Terroranschläge in Paris und Berlin, Coronazwangsschließung, Körperangriffe auf Kunden vor meinen Augen, Diebstahl aus meinen Läden, Gerichtsprozesse gegen Geschäftspartner und Vermieter, einen Galeriehund, der meinen Laden fast komplett auseinandergenommen hätte. Paulina’s Friends ähnelt manchmal einem Krimi mit Unterhaltungscharakter.  

Not macht erfinderisch: Während der Coronazeit habe ich mir Schneidern beigebracht und übermutig angefangen, schrille Teile aus seltenen Stoffen zu entwerfen. Seitdem bin ich Modedesignerin und lebe meinen Kindheitstraum.

Autodidaktin aus Leidenschaft

Ich habe mich aus Lebenshunger, Sehnsucht nach Selbstentfaltung, einer Riesenportion Leichtsinn, Leichtfertigkeit und Neugierde selbständig gemacht. Im Grunde aus reinem Nichtwissen, was man alles falsch machen kann. Aus Trotz und Eigensinn. Aus Freiheitssucht. So wie ein Kind Fahrrad fahren lernt und sich über die Gefahren nicht im Klaren ist.

Finanziell hatte ich keinerlei Background für die Selbständigkeit. Doch von meiner Mentalität war ich die geborene Selbständige. Ich bin mutig, risikobereit, kraftvoll, resilient, kommunikativ, offenherzig, experimentierfreudig und lösungsorientiert. Eine meiner größten Fähigkeiten ist, um die Ecke zu denken und kreativ zu sein. Ohne Limits, Restriktionen oder Denkblockaden. Ich handle frei nach dem Motto: “Reaching for the stars. The sky is not the limit.” Wenn nicht jetzt, wann dann? Nicht: Was wenn? Sondern: Was dann?! Nicht: Warum? Sondern: Warum nicht?! Mein Lieblingsausdruck: Trotzdem! Ich bin eine Selfmade Unternehmerin.

Ich verkaufe keine Produkte, sondern Geschichten. Ich folge dem kultivierten, systematisierten Zufallsprinzip. Dabei entsteht Zauber und Magie zwischen besonderen Menschen, die meine Mode in die Welt tragen. So habe ich eine Nische für Individualisten, Exzentriker, Unvernünftige und Künstler geschaffen.

Die Welt steckt voller Wunder

Alles fügt sich, was zusammengehört.

Wir systematisieren den Zufall.

Um Verbindungen zu schaffen.

Aus Liebe und Leidenschaft.

Unsere zeitlosen Unikate

erzählen unverwechselbare Geschichten

von Lebenslust, Authentizität und Vielfalt.

Von allem, was das Herz begehrt.

Von allem, was aus dem Rahmen fällt.

In unserer Wunderkammer zum Verweilen, Stöbern und Entdecken

wird das Essenzielle für die Augen sichtbar.

Für jeden, der seine Persönlichkeit in vollen Zügen lebt.

Weil das Leben lang genug ist,

um guten Wein zu trinken.

Come and fall in Love.


Meine KundInnen sind Best-Agerinnen ab 45: Mutig, witzig, extrovertiert, glamourös, sensibel, tiefsinnig. Die meisten KundInnen kennen mich persönlich.

Und ist es Wahnsinn, so hat es doch Methode

Meine Ladenmiete von 3.600 € pro Monat für 39 qm war heftig. Die Betreuung der zeitweise bis zu 33 Ausstellern auf einer Minifläche war hart. Und meine sinnlosen Panikattacken haben mir extrem viel Energie geraubt.

Ich akquiriere über persönliche Kontakte oder Empfehlungen, über meine Läden, über Newsletter, Facebook, Instagram und YouTube. Ich verkaufe auf Messen, Ausstellungen, Showrooms, Pop-Ups, im Backstage vor oder nach Runwayshows, in Geschäften oder auch maßgeschneidert „on demand“.

Und ich vertraue auf den Zufall! Hyundai hat für die letzte Nachhaltigkeitskampagne nach passenden Modelabels über eine Marketingagentur gesucht. Hunday rief mich an, als ich gerade auf Teneriffa in der Sonne lag und noch nicht ahnte, um was für ein Riesenprojekt es sich handelte.

Das Hamburger Geschichtsmuseum hat eine bedruckte #ichtragemeinselbst-Jacke von mir über die Empfehlung einer befreundeten Goldschmiedin ausgestellt.

Ich habe allerdings bisher noch keinen Weg gefunden, den Verkauf bewusst zu steuern. Doch es ist meine Berufung als Modedesignerin, die mir immer wieder die Kraft gibt, weiterzumachen.

Not macht erfinderisch: Ich habe sogar schon Mäzene über eine Videobotschaft angesprochen und an sie appelliert, mir zu helfen. Indem ich ganz klar kommuniziert habe, was ich brauche, habe ich tatsächlich Mäzene gewonnen.

10 Tipps für GründerInnen von Paulina Tsvetanova

  1. Traue dich, zu tun, was du (noch) nicht kannst.
  2. Wenn du deine Fähigkeiten bezweifelst, tue genau das, wovor du Angst hast, um die Angst zu überwinden.
  3. Zerdenke und zerrede deine Idee nicht, sondern setze sie um.
  4. Frage nicht zu viele Menschen nach ihrer Meinung, sondern bleibe unabhängig.
  5. Folge nicht anderen, sondern sprenge Regeln und Stereotypen und gehe unkonventionelle Wege.
  6. Werde sichtbar mit mutigen Ergebnissen.
  7. Nutze dein Netzwerk.
  8. Inspiriere, überrasche, provoziere.
  9. Sei resilient.
  10. Sei der Mensch, dem du begegnen möchtest.

Die größten Herausforderungen in der Fashion-Branche

Eine meiner größten Herausforderungen ist, mich ohne finanziellen Background auf den größten internationalen Bühnen durchzuschlagen. Alles, was ich gewuppt habe, habe ich aufgrund meines Ehrgeizes und meiner Hartnäckigkeit allein geschafft. Darauf bin ich stolz. Die Oberflächlichkeit und Eitelkeit der Fashionbranche finde ich anstrengend, diese Bussi-Bussi-Schickeria und Wir-sind-alle-cool-Mentalität. Mode wird als Entertainment angesehen. Dabei ist es eine soziale, ästhetische Praxis, die unsere Gesellschaft spiegelt und formt.

Ich möchte in Berlin nachhaltig produzieren, die Mitarbeiter fair bezahlen, selbst davon leben können und dabei trotzdem halbwegs erschwinglich bleiben. Anfangs wollte ich nachhaltigen, erschwinglichen Luxus kreieren. Inzwischen weiß ich, dass Luxus nicht erschwinglich sein kann und ein handgefertigtes Unikat eben Luxus ist.

Wie du auf die großen Fashion Weeks kommst und wo du deine Models findest

Ich habe mich einfach in Amsterdam, Paris, Mailand und New York beworben, immer wieder und irgendwann hat es geklappt. Es braucht Mut und Kraft, sich nicht entmutigen zu lassen sowie eine große Portion Schelmerei und Größenwahn.

Vor Model-Bewerbungen kann ich mich nicht retten. Jeder will heute auf die Bühne und meint, Model sein zu können. Frei nach Andy Warhol: “Everybody can be a star for 15 minutes.” Daher suche ich eher Role Models, starke Persönlichkeiten, Best-Ager oder bekannte Trendsetter und Influencerinnen. Wenn ich eine Fashion Week bezahle, werden mir die Models gestellt. Neulich hat mir ein Top-Altersmodel abgesagt. Daraufhin war ich kurzerhand selbst das Model. Und das war eines der größten Learnings in meinem Unternehmerinnentum! Bei der kommenden Pariser Fashion Week werde ich meine Kundinnen als Models auf der Runway Show laufen lassen, sofern sie die Outfits im Vorfeld kaufen. In den Looks sind Designer Accessoires integriert. Das heißt, die Kundinnen kaufen ein exklusives Kleidungsstück und dürfen es selbst auf der Pariser Fashion Week auf der Bühne vorführen. Damit kommen sie in hochkarätige internationale Magazine wie Harpers Bazaar, Vanity Fair oder auch Vogue. Ich selbst habe mehrere Fotoshootings und ein Video der Runway Show. Für die Kooperationsdesigner und die Models wird es eine grandiose Werbung. So sehen Win-win-win-Situationen aus. Zugleich revolutionieren wir dadurch gemeinsam die Modeszene. Denn erstmalig treten ganz normale Frauen auf großen Runway Shows als Models auf. Es geht mir hier um Inklusion und real gelebte Diversity. Und ich möchte damit auch ein Zeichen fürs Überleben kleinerer Fashion Labels setzen.

Erfolg definiert sich vom Tod her

Zu meinen Träumen gehört eine Weltreise per Schiff, von der ich Stoffe aus allen bereisten Ländern mitbringe und verarbeite. Ich möchte meine Projekte verwirklichen und von dem Verkauf meiner Produkte leben können. Der Name Paulina’s Friends ist Programm. Das heißt, auch erfüllte Freundschaften und Liebesbeziehungen gehören zu einem erfolgreichen Leben.

  • Erfolg ist für mich, wenn ich auf dem Sterbebett liege und weiß, dass ich alles getan habe, um mein Leben voll auszukosten und in vollen Zügen zu leben.
  • Erfolg ist für mich, wenn ich meine innigsten Träume verwirklicht habe oder es zumindest versucht habe.
  • Erfolg ist für mich, die nächste Fashion Week zu meistern.

Manchmal fehlt mir allerdings der Glaube, dass ich weiterhin die Kraft habe, zu investieren, zu kämpfen und so weiterzumachen wie bisher. Manchmal habe ich Torschlusspanik. Manchmal denke ich, dass ich mir lieber wieder einen normalen Job suchen sollte. Manchmal fühle ich mich einsam und in meinem Tun nicht genug unterstützt. Aber ich bleibe meiner Berufung treu: auf der Suche nach Wurzeln und Flügeln.

Mehr unter Paulina’s Friends

Foto: Nicole Thiesmeier

Verausgabung hält niemand auf Dauer aus

Paulinas kreatives Leben ist von enormen Ausschlägen geprägt: Euphorie und Existenzangst, Erfolge und Zufälle, Sehnsucht nach Wurzeln und Halt bei gleichzeitiger Sehnsucht nach Abenteuer und Flügeln. Nur wenige Menschen sind so stark und inspiriert, dass sie diese enorme Spannung der Sehnsucht nach Autonomie und Bindung in dieser Intensität aushalten können. Was du von Paulina lernen kannst? Leidenschaftlich zu leben und zu arbeiten.

Was ich Paulina empfehlen würde, wenn sie nicht so beratungsresistent wäre (Smiley), wäre der systematische Aufbau von Kooperationen, Vertriebspartnern und Netzwerken. Ich sage das sehr liebevoll, da wir miteinander befreundet sind. Wir hatten sogar vor, miteinander auf Weltreise zu gehen und haben uns bei „Fame on Me“ für die Serie „Verrückt nach Meer“ beworben. Nachdem wir schon fast am Ziel waren, kam leider Corona dazwischen. Aber in unserem Pitch für die Weltreise siehst du, was uns miteinander verbindet.

Verrückt nach Mehr & Meer

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Dr. Kerstin Gernig hat 4,87 von 5 Sternen 756 Bewertungen auf ProvenExpert.com