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FuckUp Night: scheitern reloaded

FuckUp Night: scheitern reloaded

Die FuckUp Night im Co-Working Space Scaling Spaces mit Blick über Berlin ist brechend voll. Zum 30. Jubiläum der FuckUp Nights in Berlin sind doppelt so viele Menschen gekommen als vorgesehene Stühle im Raum waren. Das nennt man überbucht. Rund 200 Zuschauer, davon steht die Hälfte tatsächlich drei Stunden lang, um sich die Geschichten des Scheiterns von Unternehmer*innen anzuhören. Schlecht gelaunt sehen sie nicht aus, obwohl es hier um große Krisen geht. Aber es sind ja auch die Krisen der anderen. Und es wird auch gelacht, aber nicht übereinander, sondern miteinander. Wo sonst Startups aus dem Fintech Bereich am großen Durchbruch feilen, erzählen an dem Abend Selbstständige von ihren Niederlagen. Schöner scheitern, gescheiter scheitern, besser scheitern – das ist die Devise. Lies im Blogbeitrag über die Fuckup Night, was eine FuckUp Night ist, wieso du mindestens einmal an einer FuckUp Night teilnehmen solltest und was Menschen bei FuckUp Nights berichten.

Was ist eine FuckUp Night?

In mehr als hundert Städten gibt es inzwischen FuckUp Nights weltweit. Die Idee ist in Mexiko entstanden. Daraus haben sich Veranstaltungsreihen rund um den Globus entwickelt. Das Konzept trifft einen Nerv der Zeit. Die Menschen sind es Leid, immer nur Gewinnerstorys zu hören. Denn der Weg zum Erfolg ist gepflastert mit Herausforderungen, Schwierigkeiten und Problemen. FuckUp Nights sind die extrovertierte Antwort auf die Anonymen Insolvenzer. Ein vertrauliches Treffen Gescheiterter: auch dieses Format gibt es inzwischen in ganz Deutschland. Damit wird eine neue Kultur des Scheiterns etabliert, damit Unternehmer nicht für den Rest ihres Lebens stigmatisiert werden, sondern eine Chance bekommen, wieder aufzustehen, neu anzufangen, aus den Fehlern zu lernen und auch wieder kreditwürdig zu werden. Denn wer einmal gescheitert ist, hat daraus meist mehr gelernt als jemand bei dem durch Zufall immer alles glatt lief.

Statistisch gesehen scheitern 9 von 10 Gründern: verändere die Perspektive!

Journalisten sagen häufiger zu mir: Von den Gründern scheitern doch 9 von 10. Rein statistisch gesehen mag das so aussehen. Doch faktisch stehen viele Unternehmer nach dem ersten Scheitern wieder auf und haben daraus viel gelernt. Und genau um diese Learnings geht es bei der FuckUp Night. Als ich mein Buch Werde, was du kannst! Wie man ein ungewöhnlicher Unternehmer wird geschrieben habe, war Matti Niebelschütz von MyParfum gerade in der Insolvenz – also gescheitert – und meinte bei meiner Interviewanfrage, dass ich mich nicht für ihn interessieren würde. Ich habe insistiert und gesagt, dass ich ihn aufgrund seiner unglaublichen Geschäftsidee porträtieren möchte, mit der er den Parfumhandel revolutioniert hat. Es hat sich im Nachhinein als gut herausgestellt, dass ich drangeblieben bin. Denn nach einem Crowd-Investing hat er aufgrund der gemachten Fehler das ganze Unternehmen mit einem guten Business Coach neu aufgestellt. Heute bin ich Mini-Investorin bei MyParfum.

Statistisch gesehen bin ich gescheitert 

Ich selbst bin, als ich mich mit Ende 40 selbständig gemacht habe, rein statistisch gesehen auch gescheitert. Denn ich habe die Agentur für Kommunikationsgestaltung, mit der ich ursprünglich PR für KMUs anbieten wollte, nach einem Jahr aufgegeben, da ich merkte, dass ich das zwar konnte, aber nicht wirklich wollte. Und dann ging es um eine komplette Neupositionierung. Nicht, weil ich nicht konnte, was ich machte, sondern weil ich nicht wollte, was ich tat. Ich habe damals viel zu schnell und aus dem Kopf heraus gegründet, ohne mir die Zeit zu nehmen, mich erst einmal zu fragen, was ich wirklich tun will. Also: nicht, was ich kann, sondern, was ich will. Dieser Umweg von einem Jahr ist für meine heutigen Coachings extrem hilfreich. Und die Auszeichnung als Vorbildunternehmerin Deutschlands durch das Wirtschaftsministerium im Jahr 2014 hat gezeigt, dass es gut war, mich noch einmal neu zu positionieren. Denn nur, wer in Resonanz mit seinen Stärken gründet, verkämpft sich nicht, sondern arbeitet im Flow. Und deshalb ist heute auch einer meiner Schwerpunkte das Positionierungscoaching

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Aber warum hören sich Leute in ihrer Freizeit die Geschichten von Verlierern an?

Wieso du mindestens eine Fuckup Night besuchen solltest

Bei der FuckUp Night lernst du interessante Menschen und Unternehmer kennen. Menschen, die gewagt haben, etwas Neues zu machen. Menschen, die gewagt haben, eine Idee umzusetzen oder einen Traum zu verwirklichen. Es sind unglaubliche, teilweise atemberaubende, teilweise rückblickend extrem humorvoll erzählte Geschichten, die das Leben schreibt, wenn man wagt, die Komfortzone zu verlassen. Gerade für Perfektionisten lohnt sich der Besuch einer FuckUp Night, um gelassener mit Fehlern umzugehen und zu erleben, dass man damit nicht allein ist.

Was berichten Unternehmer bei Fuckup Nights?

Bei der FuckUp Night, bei der ich war, haben Alexandra Friedmann – Bestsellerautorin –, Jens Junge – Verleger –, und Paulina Tsvetanova – Künstlerin – gesprochen.

Alexandra Friedmann: die Bestsellerautorin in spe

Alexandra hat davon geträumt, Bestsellerautorin zu werden und den Literaturnobelpreis zu bekommen. Das war ihr Traum. Sie hatte aber auch den Alptraum, zu verarmen und bei der Nordsee Brötchen zu verkaufen. Beide Träume sind nicht in Erfüllung gegangen. Aber sie lebt und arbeitet als Autorin mit all den Härten, die dazugehören: Verlage, die ihre Manuskripte ablehnen; Verlage, die ihre Manuskripte annehmen, aber im Lektorat auf die Hälfte zusammenstreichen. Ihr Fazit: Es gilt, den Schmerz nicht zu unterdrücken, sondern zuzulassen. Denn man hat nicht immer die Kontrolle über das Ergebnis, auch wenn man noch so hart arbeitet. Von ihr gibt es inzwischen drei Bücher im Buchhandel.

„Ich kann so viel arbeiten wie ich will, so viel Herzblut reinlegen wie ich will, aber ich weiß nicht, wie es ausgeht.“ Alexandra Friedmann.

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Jens Junge: der Verleger

Jens Junge war ein schlechter Schüler, ist von der Realschule geflogen, da er im Unterricht lieber Comics gezeichnet hat, als mitzumachen. Er war erst in seinem Element, als er seinen Macherspirit ausleben konnte: ein Institut für Ludologie gegründet, einen Digitalen Verband DIWISA gegründet, an der Design Akademie unterrichtet und vieles mehr. Und da anfangs niemand seinen Regionalcomic „Das war Öde“ verlegen wollte, entschloss er kurzerhand, selbst Verleger zu werden. Und so machte er eine Ausbildung als Verlagskaufmann, gründete anschließend einen Verlag und wurde Unternehmer. Sein Lebensmotto lautet „Mensch ärgere dich nicht.“ Und dieses Motto hat ihn davor bewahrt, bei Pleiten, Pech und Pannen, die er an dem Abend schildert, nicht zu verzweifeln.

Paulina Tsvetanova: die Künstlerin

Paulina kommt aus dem Balkan, ist in einem der größten Ghettos als Roma aufgewachsen, mit 13 Jahren mit ihrer Zwillingsschwester auf eine deutsche Schule in Freiburg gekommen und dort an einer Magersucht fast gestorben. Wer die blendend aussehende Frau heute sieht, kann sich kaum vorstellen, dass sie dem Tod einmal nur knapp von der Schippe gesprungen ist. Doch wer dann ihr Leben hört, hat Respekt vor dem Durchhaltevermögen: 20 Mal umgezogen, nach Berlin gekommen, Job gekündigt, um sich selbständig zu machen mit Paulina's Friends, im Bikinihaus eine 35 Quadratmeterbox für 3600 Euro Miete im Monat angemietet, um den Kunstmarkt zu revolutionieren, indem die Künstler dafür zahlen mussten, dass sie ausstellen durften. Sechs Monate lang unglaublichen Erfolg gehabt, aber zugleich Panikattacken und Herzrasen, da die Pflichtöffnungszeiten von Sonntag bis Samstag von 10.00-20.00 Uhr einfach nicht zu schaffen waren. Dann raus aus der Box und rein nach Berlin Mitte mit einem Konzeptstore für unorthodoxe, schrille Projekte und dann gemerkt, dass sie nicht anderen Künstlern dienen will, sondern selbst Künstlerin ist, die fantasievolle Haute Couture Mode gestaltet. Ihr Konzeptstore „Der Zufallsladen“ ist so unkonventionell, dass auch die Öffnungszeiten per Zufall entstehen. Und wenn der Laden geschlossen war, wurde personalisierte Mode entworfen, mit der die Träger „Werbung für sich selbst laufen können“. Und dann ist da noch das Buch Vom Glück des Zufalls als Book on Demand erschienen und das zweite Buch „Meine Freundin die Panikattacke“ im Entstehen.

Die Unternehmer*innen, denen man bei der FuckUp Night begegnet, sind so vielfältig wie die Märkte und das Leben.

Man kommt nach Berlin, weil man sich selbst verwirklichen will oder weil man gescheitert ist.“ Paulina Tsvetanova

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Was passiert, wenn du wagst und nicht gewinnst?

Kannst du dir vorstellen beim Scheitern in guter Gesellschaft zu sein? Ich konnte das nicht. Bei mir ist aber nicht das Geschäftsmodell gescheitert, sondern ich bin unter den eigenen Erwartungen zusammengebrochen – und zwar gründlich. Alles begann scheinbar harmlos mit Schlafproblemen, die allerdings immer heftiger wurden. Ich habe tagelang nicht mehr geschlafen. Das war Folter. In der Folge der Schlaflosigkeit war mein Gehirn nicht mehr in der Lage, klar zu denken. Ich konnte mir während meines Burnouts nicht vorstellen, jemals wieder arbeiten zu können. Mit letzter Kraft dachte ich, mein Leben so schnell wie möglich ordnen zu müssen. Und so habe ich alles, was ich in sieben Jahren aufgebaut hatte, zerstört:

  • Ich habe die Domains meiner Websites gekündigt, die bereits ein gutes Googleranking hatten.
  • Ich habe meinen Newsletterverteiler mit ein paar tausend Adressen, die ich im DOI-Verfahren gewonnen hatte, gekündigt.
  • Ich habe mein Xingprofil mit ein paar tausend Kontakten gelöscht.
  • Ich habe meine „Werde, was du kannst! Community“ bei Meetup mit fast tausend Adressen gekündigt.
  • Ich habe sämtliche Mitgliedschaften von der German Speakers Associaten bis zu Digital Media Women gekündigt.
  • Ich habe alle Dienstleistungsverträge gekündigt.
  • Ich habe keine Anfragen für Coachings und Vorträge mehr angenommen.
  • Ich habe nichts mehr auf den sozialen Medien gepostet.
  • Ich bin quasi von der Bildfläche verschwunden – für neun Monate.

In meinem Buch Werde, was du kannst! Wie man ein ungewöhnlicher Unternehmer wird habe ich Erfolgsstrategien analysiert. In meinem Leben habe ich die Gründe des Scheiterns analysiert. Fast ein Jahr hatte ich Zeit, um darüber nachzudenken. Lag das Scheitern an meinem Wesen? Perfektionismus, Arbeitsethos, Erfolgstrigger … Lag das Scheitern an meinem Temperament? Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. Lag das Scheitern an meinem Schicksal oder an mangelnder Resilienzfähigkeit?

Die Diagnose, die ich mir selbst gestellt habe, war ernüchternd. Während ich meinen Coachingklienten immer geraten habe, im Rhythmus ihres Herzschlags und ihres Atems so organisch wie eine Walnuss zu wachsen, habe ich mich selbst überfordert, habe bis spät in die Nacht, am Wochenende und selbst im Urlaub noch am Rechner gesessen. Ich habe gelebt, um zu arbeiten, anstatt zu arbeiten, um zu leben. Ich wollte die Zukunft kontrollieren, anstatt in Resonanz mit der Gegenwart zu leben.

Als ich mich selbständig gemacht habe, hat mein Mann die Parole ausgegeben: „Nicht scheitern ist schlimm, sondern es nicht versucht zu haben.“ Doch als ich durch den Burnout vollkommen am Ende war, fand ich den Preis definitiv zu hoch für den Versuch, in der Selbständigkeit so erfolgreich zu werden wie zuvor als Geschäftsführerin in einem Wirtschaftsverband.

Stromlinienförmige Karrieren sind selten. Es geht um gründen, scheitern, weitermachen.

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Wenn du erfahren willst, wie ich mit meinem Scheitern umgegangen bin, lies meinen Blogbeitrag zum Scheitern oder komm zu meinen Vortrag bei der nächsten FuckUp Night in Berlin.


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Dr. Kerstin Gernig hat 4,87 von 5 Sternen 756 Bewertungen auf ProvenExpert.com